Zinseinkünfte, Dividenden und sonstige Kapitalerträge, die Einkommenssteuerpflichtige auf Anlage- und Sparkonten erzielen, müssen versteuert werden. Es handelt sich bei ihnen um Kapitaleinkünfte, die der Einkommenssteuer unterliegen (§ 20 EStG).
Inhaltsverzeichnis
Erhebung von Abgeltungssteuer
Seit Einführung der Abgeltungssteuer unterliegen Kapitalerträge pauschal dem gesonderten Steuertarif von 25% (§ 32d Abs.1 EStG). Allerdings kann hier der Freistellungsauftrag gestellt werden, welcher sich bei Singles auf 801 € und bei Verheirateten auf 1.602 € beläuft. Bis zu diesem Betrag, der dem Sparer-Pauschbetrag entspricht, wird kein Steuerabzug für die Zinseinkünfte vorgenommen.
Die Abgeltungssteuer wird unmittelbar im Rahmen des Kapitalertragssteuerabzugs erhoben. Abschließende Bestimmung der kapitalertragsteuerpflichtigen Erträge ist § 43 Abs. 1 EStG, während § 43a EStG die Bemessungsgrundlage der Kapitalertragssteuer regelt.
Dabei haben die Geldinstitute und Anlagegesellschaften für Rechnung ihres steuerpflichtigen Kunden den Steuerabzug vorzunehmen und die fälligen Steueranteile einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (§ 44 Abs.1 EStG).
Für Kapitalerträge im Sinne des § 20 EStG, die dem Steuerabzug unterlegen haben, formuliert das Gesetz die abgeltende Wirkung nach Durchführung dieses automatischen Steuerabzugs in § 43 Abs.5 S.1 EStG.
Freistellung vom Steuerabzug
Übersteigen die Kapitalerträge allerdings nicht den Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs.9 EStG (801 EUR für Ledige, 1.602 EUR für Verheiratete mit Zusammenveranlagung), ist der Steuerabzug nicht vorzunehmen (§ 44a Abs.1 Nr.1 EStG). Es tritt in diesen Fällen eine Befreiung von der Abgeltungssteuer ein.
Für die Inanspruchnahme dieser Steuerbefreiung ist Voraussetzung, dass der Bank ein entsprechender Freistellungsauftrag erteilt wird. Wichtig: Ab 2016 muss im Freistellungsauftrag die Steuer-Identifikationsnummer vermerkt sein. Banken sind auch dazu berechtigt, die Streuer-Identifikationsnummer beim Bundeszentralamt für Steuern zu erfragen.
Ausgenommen vom Freistellungsverfahren sind Kapitalerträge aus Betriebseinnahmen sowie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, denn für diese Einkunftsarten gilt der Sparer-Pauschbetrag nicht.
Folgen des Freistellungsauftrages
Die Bank ist kraft des erteilten Freistellungsauftrages verpflichtet und berechtigt, die Erträge in voller Höhe ohne Steuerabzug an ihren Kunden zur Auszahlung zu bringen und zwar bis zur Höhe der durch den Kunden bestimmten Obergrenze. Legt der Kunde die Obergrenze nicht fest, gilt der Freistellungsauftrag bis zur Höhe des Sparer-Pauschbetrages.
Zinsen und Kapitalerträge, die über den Sparer-Pauschbetrag oder über die geltend gemachte Obergrenze im Freistellungsauftrag hinausgehen, unterliegen demgegenüber unverändert dem Steuerabzug.
Folgen bei nicht gestelltem Freistellungsauftrag
Erteilt der Bankkunde keinen Freistellungsauftrag, werden die Kapitalerträge ungekürzt der Abgeltungssteuer unterzogen und die Steuerbeträge von der Bank einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Der Steuerpflichtige kann unter diesen Bedingungen allenfalls später im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung die entrichteten Steuerbeträge bis zur Höhe des Sparer-Pauschbetrages geltend machen, indem er die Anlage KAP (Einkünfte aus Kapitalvermögen) ausfüllt.
Folge eines unterbliebenen Freistellungsauftrages ist demgemäß zunächst die Besteuerung der abgeführten Kapitalerträge mit 25% Abgeltungssteuer (Kapitalertragssteuer). Daneben fallen Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer an.
Wofür können Freistellungsaufträge erteilt werden?
Freistellungsfähig sind Kapitalerträge, die einem unbeschränkt einkommenssteuerpflichtigen Gläubiger zufließen und ihm gut geschrieben werden können (§ 44a Abs.1 EStG). Dazu rechnen insbesondere
- Zinsgutschriften (Girokonto, Tagesgeld, Festgeld, Sparbriefe, Sparkonto, Anleihen)
- Dividenden und Gewinnanteile aus Wertpapiergeschäften
- Gewinnerträge aus einer stillen Beteiligung
- Kapitalerträge aus einer nicht steuerbegünstigten Lebensversicherung
- Kapitalerträge aus einem partiarischen Darlehen
Wie lange ist ein Freistellungsauftrag gültig?
Der Freistellungsauftrag gilt grundsätzlich für die
- Dauer eines Kalenderjahres.
Er verlängert sich automatisch, soweit der Bankkunde keine anderweitige Anweisung erteilt.
Es ist aber auch möglich, den Freistellungsauftrag von vornherein zeitlich zu befristen. Dann verliert der Auftrag seine Gültigkeit mit Ablauf der vom Kunden bestimmten Frist.
Ein Freistellungsauftrag verliert auch dann seine Gültigkeit, wenn die betreffende Person den Wohnsitz ins Ausland verlegt und nicht mehr der unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht in Deutschland unterliegt.
Wem ist der Freistellungsauftrag zu erteilen?
Der Freistellungsauftrag ist dem Geldinstitut zu erteilen, bei dem der Kunde sein Konto oder Wertpapierdepot unterhält. Im Einzelnen kommen dabei infrage
- Banken
- Sparkassen
- Investment- und Fondsgesellschaften
- Versicherungen
- Bausparkassen
Der Freistellungsauftrag ist dabei unter Verwendung der amtlichen Vordrucke zu erteilen, die von den Geldinstituten bereitgehalten werden. Vielfach besteht für Kunden darüber hinaus die Möglichkeit zum Download und Ausdruck der Vordrucke auf den Webseiten der Geldhäuser. Alternativ sind die amtlichen Formulare zudem bei jedem Finanzamt erhältlich.
Wie muss der Freistellungsauftrag ausgefüllt werden?
Das Formular enthält Angabenfelder zum Antragsteller und zum Freistellungsauftrag selbst. Grundsätzlich ist der Auftrag nur wirksam erteilt, wenn er vollständig ausgefüllt wird und der Antragsteller seine Unterschrift leistet. Da die Freistellungsaufträge den Finanzbehörden und den Sozialleistungsträgern zu Prüfungszwecken zur Einsichtnahme vorzulegen sind, sind die vorgeschriebenen Formalien durchaus ernst zu nehmen.
Bei Verheirateten gilt, dass der Freistellungsauftrag von beiden Ehepartnern unterschrieben werden muss. Dieser Auftrag kann sowohl für Gemeinschaftskonten als auch für Konten und Depots, die auf nur einen Ehegatten lauten, erteilt werden.
Wird die Ehe geschieden, oder liegen die Voraussetzungen eines dauernden Getrenntlebens vor, ist der Freistellungsauftrag entsprechend zu ändern. Bei solchen Änderungen verliert der bisherige Freistellungsauftrag seine Gültigkeit. Die Änderung gilt als Widerruf des bisherigen Auftrages.
Auch beschränkt geschäftsfähige Minderjährige können wirksam einen Freistellungsauftrag stellen. In diesem Fall muss allerdings der Erziehungsberechtigte den Antrag unterschreiben.
Bis zu welcher Höhe kann der Freistellungsauftrag erteilt werden?
Die Höchstbeträge für das Freistellungsverfahren sind auf die Obergrenze des Sparer-Pauschbetrages gesetzlich festgelegt. Diese beläuft sich pro Jahr auf maximal
- 801 Euro für Ledige
- 1.602 Euro für Verheiratete bei gemeinsamer steuerlicher Veranlagung
Bei gemeinsam veranlagten Ehegatten ist bei der Einkunftsermittlung der gewährte Sparer-Pauschbetrag von 1.602 Euro bei jedem Ehegatten je zur Hälfte abzuziehen. Ergibt sich dabei, dass die Kapitalerträge eines Ehegatten den Betrag von 801 Euro nicht erreichen, so kann der anteilige Sparer-Pauschbetrag bei dem anderen Ehegatten in Abzug gebracht werden.
Bei einem gemeinsamen Freistellungsauftrag von Ehegatten muss dieser von beiden Partnern unter Angabe beider Steuer-Identifikationsnummern unterschrieben werden.
Freistellungsauftrag rückwirkend stellen?
Wird ein Freistellungsauftrag erst im laufenden Kalenderjahr gestellt, so gilt er rückwirkend ab dem 01.01. des Jahres, in dem er eingereicht wurde. Das ist auch für diese Konstellation interessant, wenn ein zu niedriger Freistellungsauftrag bei der Bank eingereicht wurde und bereits ein Steuerabzug auf Kapitalerträge durch die Bank erfolgt ist. Reicht der Kunde nun einen neuen, höheren Freistellungsauftrag ein, so erhält er die zu viel einbehaltenen Beträge von der Bank erstattet.
Allerdings lässt sich ein zunächst höhere Freistellungsauftrag im laufenden Jahr nicht mehr absenken. Haben Sie also beispielsweise zu Beginn des Jahres einen Freistellungsauftrag über 600 Euro eingereicht, können Sie diesen nicht im laufenden Jahr auf beispielsweise 300 Euro absenken, wenn bereits ein Steuerabzug vorgenommen wurde.
Kann man den Freistellungsauftrag auf mehrere Kreditinstitute aufteilen?
Ja, Sparer und Anleger, die unterschiedliche Konten oder Depots bei Geldinstituten unterhalten, können mehrere Freistellungsaufträge erteilen, indem sie den gesamten ihnen zur Verfügung stehenden Sparer-Pauschbetrag entsprechend aufteilen. Dabei darf die Summe der einzelnen Freistellungsaufträge den Sparer-Pauschbetrag allerdings nicht überschreiten.
Maßgeblich für die konkrete Höhe der zu erteilenden Freistellungsaufträge sind dabei die zu erwartenden Zinsgewinne oder Renditen der jeweiligen Kapitalanlagen. Ein höheres Maß an Berechnungssicherheit bieten dabei festverzinsliche Spareinlagen auf Tagesgeld-, Festgeld- und Sparbuchkonten gegenüber den wirtschaftlichen Erträgen aus spekulativen Anlageformen wie Aktien, Aktienfonds oder Zertifikaten in Wertapapierdepots. Die Wertentwicklung dieser Vermögensanlagen ist regelmäßig von Umständen abhängig, die nicht im Einzelnen absehbar sind.
Was geschieht, wenn die Erträge das Freistellungvolumen überschreiten?
Ungeachtet eines wirksam erteilten Freistellungsauftrags bleibt das Kreditinstitut verpflichtet, die Einhaltung der vom Kunden festgelegten Freibetragsgrenzen zu überwachen. Übersteigen die Kapitalerträge das Freistellungsvolumen, hat die Bank von dem überschießenden Betrag die fälligen Steueranteile einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.
Das Gesetz überträgt den Kreditinstituten und Anlagegesellschaften die Verantwortung für den Abzug der Abgeltungssteuer. Sie sind für Rechnung des Kunden, der Schuldner der Abgeltungssteuer ist, zum Steuerabzug gesetzlich verpflichtet (§ 44 Abs.1 EStG).
Das hat für die Kreditinstitute weit reichende Folgen, denn sie haften für die einzubehaltende und abzuführende Kapitalertragssteuer, es sei denn, sie weisen nach, dass sie ihre Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt haben (§ 44 Abs.5 EStG). Demgegenüber ist die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen selbst nachrangig und nur unter eingeschränkten Voraussetzungen möglich. Sie kommt etwa in Betracht, wenn der Kunde Kenntnis davon hat, dass seine Bank die einbehaltene Steuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und er dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.
Werden die Daten des Freistellungsauftrages an das Finanzamt weitergeleitet?
Die Kreditinstitute müssen bis zum 31.05. eines jeden Kalenderjahres dem Bundeszentralamt für Steuern bestimmte freistellungsrelevante Daten übermitteln (§ 45d Abs.1 EStG).
Im Einzelnen werden folgende Daten aus Freistellungsaufträgen übermittelt
- Name und Geburtsdatum des Auftraggebers und gegebenenfalls des Ehegatten
- Anschrift des Auftraggebers
- Anzahl der erteilten Aufträge und Höhe der jeweiligen Freistellungsgrenze
- Anschrift des Empfängers des Freistellungsauftrages (Kreditinstitut)
Ziel dieser Datenübermittlung ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Inanspruchnahme des Sparer-Pauschbetrages durch den Steuerpflichtigen. Aufgrund der erhobenen Daten kann insbesondere festgestellt werden, ob bei einer Mehrzahl von Freistellungsaufträgen insgesamt die Freibetragshöchstgrenze von 801 Euro beziehungsweise 1.602 Euro überschritten wurde.
Folgen bei Überschreiten des Freistellungsauftrages
Stellt sich bei einer solchen Überprüfung heraus, dass der persönliche Freibetrag überschritten wurde, dienen die Daten als Grundlage für ein möglicherweise in Betracht kommendes
- Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit
- Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat
Ein Rückschluss von den gemeldeten Freistellungsdaten unmittelbar auf das Vermögen eines Steuerpflichtigen ist dagegen nicht ohne weiteres möglich. Die Kreditinstitute übermitteln die Daten lediglich zu Kontrollzwecken. Das Gesetz begrenzt die übermittlungspflichtigen Daten deshalb auch ausdrücklich auf Anzahl und Höhe der jeweiligen Freistellungsaufträge. Eine Mitteilung über Bestand und Höhe von Kapitaleinlagen erfolgt hingegen nicht.
Welche weiteren Kontrollen gibt es?
Darüber hinaus ist das Bundeszentralamt für Steuern befugt, die ihm übermittelten Daten den Sozialleistungsträgern mitzuteilen, soweit dies zur Überprüfung des bei der Bewilligung von Sozialleistungen zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens erforderlich ist (§ 45d Abs.2 S.1 EStG).
Nimmt der Steuerpflichtige Sozialleistungen in Anspruch, muss er daher damit rechnen, dass die von ihm tatsächlich ausgeschöpften Freibeträge Grund zu der Vermutung geben können, dass er bei der Beantragung der Sozialleistung möglicherweise Vermögen verschwiegen hat. Dabei wird von der Höhe des beanspruchten Freibetrages auf die wahrscheinliche Höhe des zugrunde liegenden Kapitals geschlossen.
Das Gesetz erweitert die Überprüfungsbefugnis des Bundeszentralamts für Steuern aber noch erheblich, denn es ist zudem berechtigt, einen automatisierten Datenabgleich durchzuführen. Es darf die erhobenen Angaben aus den Freistellungsaufträgen mit den übermittelten Daten der Sozialleistungsträger abgleichen und das Ergebnis den Sozialleistungsträgern mitteilen (§ 45d Abs.2 S.2 EStG).
Bezieher von Sozialeistungen drohen empfindliche rechtliche Konsequenzen, wenn sich zeigt, dass die Leistungen durch falsche oder unvollständige Angaben erschlichen worden sind. Als Folge des seit einigen Jahren stattfindenden Datenabgleichs zur verstärkten Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs ist ein Verschweigen von Vermögen daher höchst riskant.
Steuerfreiheit auch ohne Freistellungsauftrag
Wer als Anleger lediglich über ein geringes Einkommen verfügt und deshalb keine Einkommenssteuer zahlt, kann auch ohne Freistellungsauftrag seine Kapitalerträge vereinnahmen. Mithilfe einer Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung) können Kreditinstitute Kapitalerträge zu 100% an den Anleger ausschütten. Und dies gilt auch für den Fall, dass die Einnahmen höher ausfallen, als der eigentliche Sparer-Pauschbetrag. Anders als der Freistellungsauftrag, welcher eine unbegrenzte Gültigkeit besitzt (außer bei Widerruf durch den Anleger), gilt die NV-Bescheinigung lediglich für den Zeitraum von maximal 36 Monaten.
Letzte Aktualisierung: 23.06.2016