Bei der Baufinanzierung ohne Eigenkapital (Vollfinanzierung) bringt der Bauherr keinerlei Eigenkapital in die Immobilienfinanzierung ein. Das bedeutet, dass die Baufinanzierung nur über die Inanspruchnahme von Immobilienkrediten sichergestellt werden kann. Regelmäßig werden Kredite im Rahmen der Vollfinanzierung von der Bereitstellung entsprechender Sicherheiten abhängig gemacht.
Inhaltsverzeichnis
Vollfinanzierung
Während der Bauherr bei der Immobilienfinanzierung mit Eigenkapital im Schnitt mindestens 20% der Baukosten aus eigenen Mitteln abdeckt, so dass ein Restfinanzierungsbedarf von nur 80% verbleibt, muss bei der Vollfinanzierung Fremdkapital zur Baukostendeckung in Höhe von 100% aufgenommen werden.
Risiken der Baufinanzierung ohne Eigenkapital
Damit sind stets zwei Nachteile verbunden, die kennzeichnend sind für die Vollfinanzierung. Zum einen führt das höhere Kreditvolumen bei der Vollfinanzierung zu einer Verteuerung des Immobiliedarlehens insgesamt verglichen mit dem Kostenanfall bei der Eigenkapital basierten Baufinanzierung. Denn je höher der vergebene Kredit, umso höher zugleich die Belastungen bei der monatlichen Darlehenstilgung. Aus dieser höheren wirtschaftlichen Belastung ergibt sich zum anderen ein gesteigertes Ausfallrisiko, das der Bauherr bei einer Vollfinanzierung trägt. Nicht selten ist die Tilgungsbelastung so hoch, dass der Kreditnehmer seine finanzielle Bewegungsfreiheit vollkommen verliert. Treten unter solchen Bedingungen Umstände ein, die die Kreditrückführung gefährden oder gar hinfällig machen, droht plötzlich die Fälligstellung des Gesamtkredits und die Verwertung der gestellten Sicherheit.
Erhöhtes Risiko bei Arbeitslosigkeit
Eine solche Situation kann zum Beispiel eintreten, wenn der Kreditnehmer arbeitslos wird und damit die für die Kredittilgung eingeplanten finanziellen Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen. Grundsätzlich besteht dieses Risiko auch bei einer Baufinanzierung mit Eigenkapital, allerdings ist die Ausfallwahrscheinlichkeit in Anbetracht der geringeren Kostenbelastung bei der Tilgung dort deutlich niedriger.
Vorkommen und Verbreitung der Vollfinanzierung
Auf dem Immobilienkreditmarkt werden unterschiedliche Modelle der Baufinanzierung ohne Eigenkapital offeriert. Neben der Vollfinanzierung des eigentlichen Bauvorhabens zu 100% können Kreditnehmer auch eine darüber hinausgehende Vollfinanzierung zu 105% oder 110% in Anspruch nehmen. Bei diesen besonderen Formen der Vollfinanzierung wird nicht nur der Kaufpreis als solcher übernommen, sondern sie schließen zudem die Erwerbsnebenkosten mit ein. Auf diese Weise werden jeweils zusätzlich
- Grunderwerbssteuer
- Notar- und Grundbuchkosten bei der Bestellung von Sicherheiten
mitfinanziert. Je nach Ausschöpfung des Finanzierungsrahmens bei Vollfinanzierungen über 105% oder 110% können aus verbleibenden Mitteln zusätzlich noch abgedeckt werden
- gegebenenfalls anfallende Maklerprovision
- Ausführung kleinerer Instandsetzung- oder Instandhaltungsarbeiten
- Anschaffung von Einrichtungsgegenständen
Angesichts der schwachen Eigenkapitalausstattung vieler Bürger ist die Vollfinanzierung in Deutschland weiter auf dem Vormarsch. Dabei werden insbesondere jüngere Menschen mit gesichertem Einkommen umworben, die noch kein nennenswertes Vermögen gebildet haben.
Zinsen, Tilgung und Laufzeit bei der Vollfinanzierung
Die Vollfinanzierung hat nachhaltigen Einfluss auf diese Rahmenbedingungen des Kredites. Wegen des Fehlens eines Eigenkapitalanteils ist die Tilgungsbelastung höher. Die dadurch bedingte erhöhte Ausfallgefahr des Kredits lässt sich das Kreditinstitut durch einen höheren Zinssatz bezahlen. Der Kreditzins kann zwar durch individuelle Faktoren wie das Einkommen und die Werthaltigkeit der gestellten Sicherheiten nach unten angepasst werden, regelmäßig liegen die Zinsen bei der Vollfinanzierung aber deutlich über den Kreditzinsen bei der Baufinanzierung mit Eigenkapital (Restfinanzierung).
Bei der Vollfinanzierung fallen als Folge des höheren Kreditbetrages die Tilgungsraten höher aus als bei der Restfinanzierung mit Eigenkapital. Zugleich besteht die höhere Belastung mit Kreditkosten in der Regel über einen wesentlichen Tilgungszeitraum. Entscheidet der Bauherr sich für eine Vollfinanzierung über eine entsprechend hohe Kreditsumme bindet er sich unter Umständen auf Jahrzehnte, da die Tilgungsphasen 30 Jahre und länger andauern können.
Zinsbelastung und Tilgungsleistung
Werden Vollfinanzierungskredite mir konstanten Tilgungsleistungen vereinbart, liegt der Zinsanteil bei Aufnahme der Darlehensrückzahlung zunächst über dem Tilgungsanteil, sinkt dann aber stetig und fällt mit der Zeit hinter den Tilgungsanteil zurück (gleichbleibende Rückzahlung – steigender Tilgungsanteil – sinkende Zinsbelastung = Annuitätendarlehen). Hintergrund für dieses sich allmählich umkehrende Anteilsverhältnis ist die Abtragung der Baufinanzierungskosten, die ausschließlich über den erhobenen Zins erfolgt.
Er wird berechnet für die Überlassung des Kapitals auf Zeit. Demgegenüber wird mit der Tilgungsleistung die Kreditverbindlichkeit als solche zurückgeführt. Der Tilgungsanteil kann daher erst dann höher liegen als der Zinsanteil, wenn die Baufinanzierungskosten über den Zins in den ersten Jahren der Vertragslaufzeit abgegolten werden.
Modelle der Vollfinanzierungstilgung
Dem Kreditnehmer des Baukredites bieten sich zwei unterschiedliche Tilgungsvarianten:
- Annuitätendarlehen
- Festdarlehen mit Tilgungsersatzleistung
Annuitätendarlehen
Bei dem vorherrschenden Annuitätendarlehen wird mit dem Darlehensnehmer eine konstante monatliche Tilgungsleistung vereinbart. Wie erläutert, führt dies schrittweise zum Anstieg des Tilgungsanteils, wobei der Zinsanteil mit der Zeit sinkt.
Festdarlehen mit Tilgungsersatzleistung
Im Falle des Festdarlehens mit Tilgungsersatzleistung werden an das Kreditinstitut lediglich Zinsleistungen zur Tilgung der Kreditkosten erbracht. Die Kredittilgung erfolgt, indem der Darlehensnehmer während der Vertragslaufzeit gleich bleibende Tilgungsleistungen in eine bestimmte Kapitalanlage einzahlt. Dabei kann es sich beispielsweise um eine Kaptallebensversicherung oder private Rentenversicherung handeln. Mit Auslaufen der Kreditvertragslaufzeit findet sodann durch Auszahlung der gebildeten Kapitalsumme an das Kreditinstitut die Tilgung statt.
Sicherheiten bei der Vollfinanzierung
Die Angebote für Vollfinanzierungen sind in erster Linie angesichts der Tilgungsleistungen für einkommensstarke Kreditnehmer vorgesehen. Je höher daher im Einzelfall der Baukredit ausfällt, und je höher damit die monatliche Tilgungsbelastung ist, umso höher sollte das zur Verfügung stehende Einkommen sein.
Vor Abschluss einer Baufinanzierung ohne Eigenkapital hat es deshalb nicht bei der üblichen Bonitätsprüfung durch das Kreditinstitut sein Bewenden. Darüber hinaus wird der Kreditantragsteller in der Regel Einkommensnachweise vorlegen müssen, die die Erwartung rechtfertigen, dass seine Einkünfte ausreichen werden, um die hohen Kreditbelastungen dauerhaft tragen zu können.
Dauerhaft in diesem Zusammenhang bedeutet insbesondere, dass Antragsteller die nur ein befristetes Arbeitsverhältnis vorweisen können, üblicherweise nicht berücksichtigt werden.
Neben entsprechend guter Bonität verlangen Kreditinstitute bei der Vollfinanzierung weitere Sicherheiten, um sich gegen das Risiko des Kreditausfalls zu sichern. Art und Umfang dieser zusätzlichen Sicherheiten werden dabei von den Kreditgebern wiederum abhängig gemacht von einer Risikoprüfung, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers mit der Wahrscheinlichkeit eins Ausfalls abgleicht.
Je nach Ausgang solcher Risikobewertungen können von dem Kreditinstitut unterschiedliche Sicherheiten verlangt werden. Einteilen lassen sie sich in dingliche Sicherheiten (also solche, die an dem Grundstück bestellt werden) und persönliche Sicherheiten.
Dingliche Sicherheiten sind im Rahmen der Bauvollfinanzierung
- Grundschuld
- Hypothek
Als persönliche Sicherheiten kommen insbesondere in Betracht
- Stellung von Bürgschaften
- Verpfändung von Forderungsrechten aus Lebensversicherungsverträgen
- Verpfändung von Forderungsrechten aus privaten Rentenversicherungsverträgen
Dabei gilt für die genannten Versicherungsansprüche, dass diese umso werthaltiger sind, je länger bereits Einzahlungen auf den Vertrag erbracht wurden. Je höher der Vertrag demnach valutiert ist, desto besser die Aussicht, dass er als persönliche Sicherheit akzeptiert wird.
Eigenleistung bei der Vollfinanzierung
Auch bei der Vollfinanzierung ist die Erbringung von Eigenleistungen möglich. In Höhe der auf diese Weise ersparten Lohnkosten kann dann nicht mehr von einer Vollfinanzierung im eigentlichen Sinne die Rede sein, denn immerhin wird dieser Anteil der Baukosten nicht mit Fremdmitteln bestritten.
Vollfinanzierung und Finanzierungswert
Grundsätzlich gilt, dass die Anforderungen an die Kreditbesicherung in dem Maße zunehmen, wie sich die Darlehenssumme erhöht. Die Vollfinanzierung eines Bauvorhabens ist somit nur möglich, wenn dem Gesamtfinanzierungswert entsprechende Sicherheiten gegenüber stehen. Bei sehr hohen Kreditvolumina fordern Kreditinstitute entsprechend dem höheren Risiko zur Darlehenssicherung deshalb die Stellung zusätzlicher Sicherheiten. Im Bereich gewerblicher Immobilienfinanzierung können solche weitere Sicherheiten etwa sein
- Garantieerklärung eines anderen Kreditinstituts
- Sicherungsabtretung von Betriebsforderungen
- Sicherungsübereignung von Betriebsinventar
Sind dagegen – ob bei gewerblicher oder privater Baufinanzierung – ausreichend Sicherheiten vorhanden, und ist eine regelmäßige Bedienung der Kreditverbindlichkeiten sichergestellt, so lässt sich über eine Vollfinanzierung jedes Bauvorhaben verwirklichen.
Vor- und Nachteile der Vollfinanzierung
Die Vorteilhaftigkeit einer Baufinanzierung ganz ohne Einbringung von Eigenkapital steht und fällt mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers. Verfügt er über ein stabiles und gutes Einkommen, das die außerordentlich hohen Tilgungsbelastungen dauerhaft auffangen kann, ist die Vollfinanzierung ein überaus flexibles Instrument zur Verwirklichung des Wunsches nach der eigenen Immobilie ganz ohne Verwertung eigenen Vermögens bei der Finanzierung. Nicht umsonst erfreut sich in anderen Staaten die Bauvollfinanzierung aufgrund dieser Vorzüge seit langem großer Beliebtheit.
Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Vollfinanzierung nicht absehbare Risiken für diejenigen mit sich bringen kann, die aufgrund ihrer Einkommenssituation kaum in der Lage sind, die hohen Kreditkosten aufzubringen.
Zins- und Tilgungsbelastung bei der Vollfinanzierung können zu einer wirtschaftlichen Einschnürung über Jahrzehnte führen. Sind die monatlichen Kreditkosten neben sonstigen Aufwendungen für die Lebenshaltung gerade einmal knapp zu schultern, läuft der Kreditnehmer unvorhersehbare Gefahren. Verliert er den Arbeitsplatz, oder erkrankt er ernstlich, fällt sein Einkommen aus. Die Lohnersatzleistungen werden im Regelfall nicht ausreichen, um die finanziellen Lasten zu bewältigen. Es droht der Zugriff auf die gestellten Sicherheiten bei Fälligstellung des Restkredits und schlimmstenfalls die Verwertung der Immobilie.
Gegen solche Risiken kann eine Restschuldversicherung einen gewissen Basisschutz bieten. Allerdings führt sie auch zu einer deutlichen Kreditverteuerung. Zudem enthalten solche Policen einer Restschuldversicherung eine Vielzahl von Leistungsausschlüssen, über deren Umfang jeder Kreditnehmer sich im Vorfeld gründlich informieren sollte.
Letztlich ist die Entscheidung für eine Vollfinanzierung somit abhängig von der persönlichen Lebenssituation des Bauherrn. Für einkommensstarke Kreditnehmer ist sie eine interessante Baufinanzierungsalternative unter Schonung des Eigenkapitals. In allen anderen Fällen sollten die unkalkulierbaren Risiken unbedingt bedacht werden, die die über lange Zeit anhaltenden und sehr hohen Kreditkostenbelastungen in sich bergen.