Das Kreditgeschäft ist als Darlehensvertrag ein schuldrechtlicher Austauschvertrag, bei dem der Darlehensgeber sich zur Überlassung einer bestimmten Darlehenssumme verpflichtet, um im Gegenzug hierfür von dem Darlehensnehmer eine vereinbarte Verzinsung zu erhalten.
Inhaltsverzeichnis
Auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung
Unter bestimmten Voraussetzungen können solche entgeltlichen Darlehensverträge allerdings rechtlichen Bedenken begegnen. Das ist immer dann der Fall, wenn die im Austauschvertrag vereinbarte Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zur Gegenleistung steht. Dann spricht man von Wucherzinsen oder Kreditwucher.
Wucherzinsen bei Darlehensverträgen sind regelmäßig dann anzunehmen, wenn der vertraglich vereinbarte Zins den marktüblichen Zinssatz relativ um 100% übersteigt (also mindestens doppelt so hoch liegt), oder wenn der Vertragszins den Marktzins absolut um 12% und mehr übersteigt (Bundesgerichtshof, Urteil v. 24.03.1988, III ZR 30/87).
Marktüblicher Zins
Als marktüblicher Zins gilt dabei ein durchschnittlicher und repräsentativer Zinssatz, der auf den unterschiedlichen Kapitalmärkten (Geld-, Kredit- und Anleihemarkt) für die Überlassung von Fremdkapital zu entrichten ist. Der Marktzins bezeichnet also im Ergebnis den Preis, der für die Inanspruchnahme von Fremdmitteln auf den Kapitalmärkten zu zahlen ist.
Bestimmend für die Höhe des Marktzinses ist das Prinzip von Angebot und Nachfrage auf den Geldbeschaffungsmärkten. Dabei ist in der Kreditvergabepraxis der Marktzins eng an den Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) gebunden, denn der Leitzinssatz bestimmt die Zinshöhe, zu der sich Kreditinstitute bei der EZB Kapital beschaffen können.
Laufzeitabhängige Marktzinssätze
Allerdings gibt es keinen einheitlichen Marktzinssatz. Vielmehr gelten für je unterschiedliche Kreditvergabevoraussetzungen abweichende und variable Marktzinssätze. Für ihre jeweilige Höhe sind neben der Leitzinspolitik der EZB auch die gesamtwirtschaftlichen Umstände, die Laufzeit des Kredits und die Bonität des Kreditnehmers maßgeblich.
Bei Kreditgeschäften mit kurzzeitigen Laufzeiten kommt vor allem den Marktzinssätzen des EURIBOR Bedeutung zu.
EURIBOR
Der EURIBOR bildet 15 verschiedene Zinnssätze zu 15 unterschiedlichen Laufzeiten ab, zu denen die Banken sich untereinander Termingelder ausleihen. Die Höhe der Zinssätze des EURIBOR wird täglich neu festgelegt.
Die aktuellen EURIBOR-Zinssätze sind folgender Übersicht zu entnehmen: http://de.euribor-rates.eu/aktuelle-euribor-werte.asp
Überschreiten die Kreditlaufzeiten diesen Rahmen, wird als Marktzins vielfach der aktuelle Zinssatz für Hypotheken oder Pfandbriefe herangezogen.
Marktzinssatz – Referenzwert bei Privatkrediten
Die erläuterten Marktzinssätze kommen allerdings nur im Interbankenverhältnis sowie dann zur Anwendung, wenn die öffentliche Hand Kredite nachfragt. Für private Kreditnehmer gilt der Marktzins nur als so genannter Referenzwert, an dem sich die Kreditvergabepraxis bei der Festlegung der Zinshöhe durch die Banken grundsätzlich orientiert.
So werden von den Banken in die Kreditkalkulation zusätzliche Kostenpositionen einbezogen, die auf den Zinssatz umgelegt werden. Die Rechtsprechung hat die Einbeziehung solcher Zins erhöhenden Kostenfaktoren bei der für private Kreditnehmer geltenden Marktzinsermittlung gebilligt (Bundesgerichtshof, Urteil v. 12.03.1981 III ZR 92/79).
Dazu zählen die Kreditbearbeitungs- und Kreditvermittlungsgebühren, ein Disagio sowie der Abschluss einer Restschuldversicherung.
Für Privatkredite Effektivzins maßgeblich
Für private Kreditnehmer folgt daraus, dass als Marktzins für die Beurteilung der Frage, ob die im Kreditvertrag enthaltene Zinsvereinbarung wucherisch ist, maßgeblich ist die Höhe des Effektivzinses
Der effektive Jahreszins bei einem Kredit über 10.000 Euro mit einjähriger Laufzeit liegt bei den 20 günstigsten Anbietern aktuell in einer Spanne zwischen 4,30 bis 7,59%
Mit steigender Laufzeit und Kreditsumme erhöhen sich die Zinssätze entsprechend. Für einen Kredit über 50.000 Euro sind bei fünfjähriger Laufzeit derzeit effektiv 5,70 bis 8,45% zu zahlen.
Verbot des Zinswuchers
Liegen die äußeren Voraussetzungen einer wucherischen Zinsvereinbarung im Kreditvertrag vor, so ist der Vertrag stets nichtig. Ein solcher Vertrag verstößt gegen das gesetzliche Verbot des Zinswuchers (§ 138 Abs.2 BGB). Dieses Verbot markiert eine ausdrückliche Schranke für die vertragliche Vereinbarung von Zinsen in Kreditverträgen.
Als besondere Ausprägung der allgemeinen Vertragsfreiheit gilt zwar im Bürgerlichen Recht grundsätzlich auch die Zinsfreiheit. Diese muss aber zurücktreten, wenn der Darlehensvertrag ersichtlich gegen schutzwürdige Belange des Darlehensnehmers verstößt und in Widerspruch steht zu grundlegenden Wertungen der Rechtsordnung.
Keine festen Zinsobergrenzen bei Wucherzinsen
Feste Höchstzinssätze, bei deren Überschreiten Zinswucher ohne weiteres anzunehmen wäre, gelten allerdings nicht. Der Bundesgerichtshof hat es abgelehnt, richterrechtlich Obergrenzen für die Zinsbestimmung in Darlehensverträgen festzusetzen und fordert vielmehr in ständiger Rechtsprechung, dass eine Gesamtwürdigung des Darlehensvertrages zu dem Ergebnis führen muss, dass ein sittenwidriges Ausbeutungsgeschäft vorliegt.
Objektive und subjektive Seite des Zinswuchers
Das ist immer dann der Fall, wenn
- objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht (also der Vertragszins relativ um 100% oder absolut um 12% über dem Marktzins liegt)
- subjektiv der Darlehensnehmer sich nur aufgrund seiner wirtschaftlich schwächeren Position, Rechtsunkundigkeit oder Geschäftsungewandtheit auf den Vertragsschluss eingelassen hat und der Darlehensgeber dies erkennt oder aber er sich dieser Kenntnis leichtfertig verschließt
Liegen die äußeren Merkmale des objektiven Missverhältnisses im Einzelfall vor, so schließt die Rechtsprechung hiervon auf die persönlichen, subjektiven Voraussetzungen für Wucherzinsen. Ihr Vorliegen wird dann vermutet, so dass zugunsten des Darlehensnehmers eine Beweislastumkehr erfolgt.
Damit bleibt es im Ergebnis Sache des Kreditgebers, darzulegen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen, dass der Darlehensnehmer sich auf den ihn übermäßig belastenden Vertrag nicht nur infolge seiner schwächeren wirtschaftlichen Lage, seiner Rechtsunkundigkeit oder Geschäftsungewandtheit eingelassen hat oder aber dass der Kreditgeber das jedenfalls nicht erkannt oder ohne Leichtfertigkeit verkannt hat (Bundesgerichtshof, Urteil v. 10.07.1986, III ZR 133,85).
Zinswucher auch bei relativer Zinsdifferenz zwischen 90 und 100% möglich
Über die dargestellte Fallgruppe hinaus geht die Rechtsprechung auch dann von Zinswucher aus, wenn die relative Zinsdifferenz zwischen 90 und 100% über dem marktüblichen Niveau liegt und der Darlehensnehmer zudem durch die Kreditbedingungen oder sonstige Umstände in untragbarer Weise belastet wird (Bundesgerichtshof, Urteil v. 12.02.1987 III ZR 178/85). Solche einseitigen und unbilligen Belastungen können beispielsweise dann vorliegen, wenn sich der Darlehensgeber eine übermäßig hohe Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Darlehenstilgung ausbedingt oder die Kreditausreichung von der Stellung unverhältnismäßig hoher Sicherheiten abhängig gemacht wird.
Andererseits wird die Sittenwidrigkeit der Zinsabrede von der Rechtsprechung verneint, wenn der Vertragszins den Marktzins um weniger als relativ 90% übersteigt. In diesen Fällen soll ein auffälliges Missverhältnis nicht vorliegen (Bundesgerichtshof, Urteil v. 15.01.1987 III ZR 217/85). Aber auch hiervon wird wiederum dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Zinssatz im Darlehensvertrag absolut um 12% über dem Marktzins liegt (Bundesgerichtshof, Urteil v. 13.03.1990 XI ZR 252/89).
Welche Rechtsfolgen treten bei Zinswucher ein?
Nichtigkeit des Darlehensvertrages
Zum Schutz des Zinsschuldners ordnet das Gesetz die Nichtigkeit des wucherischen Vertrages an (§ 138 BGB). Zudem setzt sich der Kreditgeber der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aus, soweit er die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder aber die erhebliche Willensschwäche des Darlehensnehmers ausgenutzt hat (§ 291 Abs.1 Nr.2 StGB).
Einwendung des Darlehensnehmers
Diese Rechtsfolge knüpft das Gesetz automatisch an das Vorliegen eines Kreditsgeschäfts mit wucherischer Zinsvereinbarung. Die Nichtigkeitsfolge aus § 138 BGB stellt eine Einwendung dar, auf die der Darlehensnehmer sich berufen kann, um den Kreditvertrag zu Fall zu bringen.
Nach den oben erläuterten Grundsätzen zur Beweislastumkehr bei Zinswucher ist er vor allem für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen des wucherischen Kreditvertrages nicht beweispflichtig. Zu seinem Schutz trifft die Beweislast den Kreditgeber, dem der Nachweis obliegt, dass die vertragliche Zinsabrede gerade nicht wucherisch und damit nichtig ist.
Ein von Zinswucher betroffener Kreditnehmer sollte sich deshalb zunächst auf die gesetzliche Nichtigkeitsfolge unmissverständlich berufen und dem Kreditgeber schriftlich mitteilen, dass er aus diesem Grund von dem Vertrag Abstand nimmt. Ist der Kreditnehmer sich seiner Sache nicht sicher, empfiehlt sich die Einholung von Rechtsrat. Die hierdurch bedingten Kosten sind ersatzfähig, wenn sich zeigt, dass tatsächlich ein Fall von Zinswucher vorliegt.
Prozessuale Folgen
Die Beweislastverteilung hat praktisch bedeutsame Folgen für einen Rechtsstreit. Sollte der Darlehensgeber mit gerichtlichen Mitteln die Einhaltung des Kreditvertrages erzwingen, wird ihm das Gericht in einem Beweisbeschluss aufgeben, Beweis für die Behauptung anzutreten, der Vertrag sei ordnungsgemäß zustande gekommen.
Misslingt der Beweis, ergeht ein Urteil zu Lasten des beweispflichtigen Kreditgebers. Er hat in diesem Fall die Gerichtskosten und die Anwaltskosten des Kreditnehmers zu tragen, soweit dieser sich zur Wahrnehmung seiner Rechte anwaltlich vertreten lässt.
Rechtsfolgen bei bereits laufenden Kreditverträgen
Sind auf einen geschlossenen Kreditvertrag bereits Zinszahlungen erbracht worden, und wird dessen Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 138 BGB erst später wirksam geltend gemacht, sind regelmäßig drei unterschiedliche Fragen zu beantworten:
- Kann der Kreditgeber das überlassene Kapital sofort zurückfordern?
- Besteht bei Wucherzinsen überhaupt ein Anspruch auf Zinszahlung?
- Kann die Rückzahlung überzahlter Zinsen verlangt werden?
Kann der Kreditgeber das überlassene Kapital sofort zurückfordern?
Mit der gesetzlichen Nichtigkeitsfolge ist der rechtliche Grund (der Darlehensvertrag) für das Behaltendürfen des Kapitals entfallen. Für diese Fälle bestimmt das Gesetz die Rückgewähr desjenigen, was jemand ohne rechtlichen Grund erlangt hat (§ 812 Abs.1 BGB). Das Gesetz betrachtet den Empfänger einer solchen Leistung als ungerechtfertigt bereichert.
Nach dem Gesetzeswortlaut wäre der Kreditnehmer deshalb verpflichtet, das ihm überlassene Kapital zurückzugewähren, sobald sich die Nichtigkeit des Vertrages herausstellt. Allerdings würde sich diese Konsequenz gänzlich über die schutzwürdigen Interessen des Kreditnehmers hinwegsetzen. Er hat im Vertrauen auf den Bestand des Vertrages Dispositionen getroffen und seine wirtschaftliche Planung an der Verfügbarkeit und zeitlichen Nutzung der Kreditsumme ausgerichtet. Eine sofortige Rückzahlung des Kapitals wird ihm deshalb vielfach unmöglich, jedenfalls aber nicht zumutbar sein.
Diese besondere Interessenlage des Kreditnehmers gebietet es daher, ihm den Kreditbetrag für die Dauer der vertraglich vereinbarten Laufzeit zu belassen. Der Kreditnehmer wird insoweit als nicht ungerechtfertigt bereichert angesehen (§ 818 Abs.3 BGB). Er kann sich – wie es das Gesetz ausdrückt – für die vereinbarte Kapitalnutzungszeit auf den Wegfall der Bereicherung berufen.
Trotz Nichtigkeit des Darlehensgeschäfts ist der Kreditbetrag demgemäß erst nach Ablauf der vertraglich vorgesehenen Nutzungszeit zurückzuzahlen.
Besteht Anspruch auf Zinszahlung für die Nutzungszeit?
Ist der Kreditnehmer berechtigt, die Darlehenssumme für die Vertragsdauer zu behalten, stellt sich die Anschlussfrage, ob der Darlehensgeber für diese Zeit Zinszahlungen verlangen kann. Soll der Darlehensnehmer das Kapital trotz Vertragsnichtigkeit nutzen dürfen, so könnte er im Gegenzug zumindest zur Zahlung des marktüblichen Zinses verpflichtet sein.
In Fällen sittenwidriger Darlehensverträge wird eine solche Verzinsungspflicht überwiegend, insbesondere von der Rechtsprechung abgelehnt (Bundesgerichtshof, Urteil v. 24.03.1988 III ZR 30/87). Die Rechtsprechung begründet de Ausschluss von Zinsansprüchen dabei mit dem Argument, dass andernfalls die von der Rechtsordnung missbilligten Zwecke und Mittel des Kreditgebers nachträglich legalisiert würden. Der Kreditgeber soll für seinen Gesetzesverstoß nicht im Nachhinein auch noch belohnt werden.
Nach einer von dieser Rechtsprechung abweichenden Auffassung soll dem Kreditgeber aber Anspruch auf den marktüblichen Zins zustehen. Dies soll insbesondere dann gelten, wenn die Rückzahlung der Kreditsumme nicht sofort erfolgen kann. Der Kreditnehmer soll in solchen Fällen zum Wertsersatz in Form des Marktzinses verpflichtet sein (Rechtsgedanke des § 818 Abs.2 BGB).
Kann die Rückzahlung überzahlter Zinsen verlangt werden?
Augrund der Nichtigkeit des wucherischen Kreditgeschäfts ist der Kreditgeber um die bereits geleisteten Zinsen ungerechtfertigt bereichert, so dass er diese zurückzugewähren hat (§ 812 Abs. 1 BGB).
Die exakte Höhe der zuviel geleisteten Zinsen kann durch vergleichende Gegenüberstellung jeder einzelnen Ratenzahlung mit dem jeweiligen marktüblichen Zinssatz ermittelt werden.
Deutscher Kreditnehmer und ausländische Wucherzinsen
Bei einer Kreditaufnahme im Ausland ist immer zu beachten, dass nicht deutsches Recht zur Anwendung gelangt. Vielmehr richten sich der Vertrag und seine Durchführung nach dem Recht des Staates, in dem der Kreditvertrag abgeschlossen wird. Ein mit einem ausländischen Vertragspartner geschlossener Darlehensvertrag mit Wucherzinsen kann deshalb auch nur mit den Mitteln beanstandet werden, die das jeweilige nationale Recht bietet. Denn es gilt grundsätzlich das Recht des Staates der Vertragsunterzeichnung.
Vor Vertragsunterzeichnung eines Kreditvertrages sollte sich der Interessent daher in jedem Fall einen genauen Überblick über die konkrete Rechtslage des betreffenden Landes machen. Nur dann kann er realistisch seine Möglichkeiten einschätzen, sich nötigenfalls gegen einen Wucherkredit zur Wehr zu setzen.